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#1

Pönne

in Geschichten 11.09.2013 22:49
von Biene | 8 Beiträge

Als Pönne auf die Welt kam,sah es nicht gut aus für ihn.
Auch seine Mama hatte die Geburt nicht gut verkraftet.
Beide lagen in unterschiedlichen Krankenhäusern,weil die Geburtsklinik
für ein 900gr. leichtes Frühchen nicht ausgestattet war.
So kam es,das Mutter und Sohn getrennt voneinander um ihr Überleben kämpfen mußten,denn auch seine Mama hatte bei der Sturzgeburt sehr viel Blut verloren und ihr Leben hing an einem seidenen Faden.
In den ersten Tagen nach der Geburt wußte Pönne`s Mama nichts von ihm...ihr Gedächtnis hatte sie im Stich gelassen.
Wenn sie mal aufwachte,nahm sie zwar wahr,das sie nicht daheim war und das irgendwas nicht stimmte,aber sie wunderte sich nicht einmal.
Sie war in einer Zwischenwelt und nahm es einfach hin.
Merkwürdig fand sie nur,das die Menschen,die an ihr Bett traten,alle ganz komisch aussahen...sie hatten Arme,die bis zum Boden reichten und murmelten seltsame Worte,die sie nicht verstand – aber das war okay.
Pönne lag ca. 30km weit weg in einer Kinderklinik in einem Brutkasten.
Sein Vater war jeden Tag bei ihm und erzählte ihm,das zuhause Geschwister auf ihn warten und das bald seine Mama zu ihm kommen würde.
Pönne war wohl ziemlich sauer,das seine Mama sich nicht blicken ließ – schließlich konnte er nicht ahnen,das sie krank war und gar nichts von ihm wußte....also entschloß er sich,so wütend,wie er war,einfach mit dem atmen aufzuhören.
So bekam er immer wieder Aufmerksamkeit – um seinen Brutkasten herum wuselte es nur so von Menschen in weißen Kitteln,die ihn stubsten und es immer wieder schafften,das er atmete.
Eines Tages aber hatten die Menschen mit den weißen Kitteln wohl keine Lust mehr,dauernd auf Pönne einzustubsen und sie schoben ihm einen winzig kleinen Schlauch in den Hals,so das Pönne gar keine andere Wahl mehr hatte,als regelmäßig zu atmen.
Natürlich war er sauer über diese Maßnahme,aber Papa war entspannter und das konnte Pönne akzeptieren.
Nach ein paar Tagen,als Pönne`s Mama wieder in das Leben zurück kehrte,erzählte ein Arzt ihr,das Pönne auf der Welt war.
Nach dem ersten Schreck wollte seine Mutter natürlich sofort zu Pönne!
Aber sie durfte nicht.Zu schlecht war ihr Zustand.
Nun stellt euch das Dilemma vor! Pönne`s Mutter war todunglücklich,weil sie ihren Sohn nicht sehen konnte und Pönne....ja Pönne hatte zwischenzeitlich einen Kampf mit dem Beatmungsgerät,den er fast verlor.
Seine winzig kleine unausgereifte Lunge war mehrfach gerissen und es ging ihm sehr schlecht.Er war schon längst nicht mehr sauer,das seine Mama nicht da war,aber es wäre doch so schön,käme sie endlich!
Pönne`s Mama wußte von all dem nichts,denn sie wurde geschont,damit sie bald gesund werde.
Aber Nachts...wenn die Träume kamen...da kam Pönne höchstpersönlich zu ihr und verlangte vehement,das sie sich auf den Weg zu ihm macht.
2 Wochen später – Pönne`s Mama hat alles getan,um auf die Beine zu kommen,verlangte sie,Pönne sofort zu sehen!
Die Ärzte baten sie aber um Geduld – sie wäre noch nicht soweit,niemand würde die Verantwortung übernehmen,falls ihr etwas zustöße.
Pönne`s Mama brauchte nur einen einzigen Blick auf Pönne`s Vater zu werfen,da wußte der,das nichts mehr gab,was sie aufhalten könnte.
Sie unterschrieb eine Erklärung und verließ das Krankenhaus,um sofort zu Pönne zu fahren.
Unterwegs bemerkte Pönne`s Mama,das der Papa immer langsamer fuhr....und sein Gesicht immer blasser wurde,bis ihm schließlich eine Träne herunter lief.
Da war Pönne`s Mutter klar,das etwas nicht stimmte und sie verlangte nach Aufklärung.Innerlich wappnete sie sich für das allerschlimmste...
Pönne`s Papa erzählte ihr nun endlich von den großen Sorgen und von Pönne`s Zustand.Er war ganz erleichtert,das er nun nichts mehr verschweigen mußte und das er von nun an die Sorgen und Ängste mit Pönne`s Mama teilen konnte.

2.Teil

Aber leider war das noch nicht alles...das merkte Pönnes Mama sehr schnell,denn der Vater machte keine Anstalten,weiter zu fahren.
Er hielt den Kopf gesenkt und sagte leise zu ihr,das noch etwas passiert sei...Pönnes große Schwester Jette,grade mal 1 Jahr alt,war ebenfalls in der Kinderklinik mit einer Lungenentzündung und auch ihr ging es nicht gut.
Im Kopf der Mutter begann es zu rauschen und ihr Herz klopfte wie wild.Angst machte sich in ihr breit und überwältigte sie .
Schwere Tränen liefen über ihr Gesicht und laut schluchzend fielen sich die Eltern in die Arme. Pönnes Mutter hatte keine Energie,auf den Schmerz zu achten,der sich neben der Erschütterung über diese neue Nachricht in ihrem Unterleib bemerkbar machte.
Schließlich konnten sie sich wieder auf den Weg machen und fuhren in die Kinderklinik,wo nun zwei ihrer Kinder lagen.
Stellt euch diesen Zwiespalt vor!
Pönnes Mama rang mit sich...wen besuche ich zuerst? Ihre Jette,die sie über alles liebte und seit einem Jahr die Sonne in ihr Herz brachte...oder Pönne,der noch keinen Namen hatte und den sie noch nie gesehen hatte...
Die Architektur des Krankenhauses nahm ihr die Entscheidung ab,denn man mußte auf dem Weg zur Intensiv-Kinderstation durch die normale und dort war Jette.
Der Mutter brach das Herz,als sie Jette sah...so blass und so dünn.
Jette streckte ihre Ärmchen nach ihr aus und wie der Wind lag sie in Mutters Armen.
Man weiß nicht,wie lange die beiden miteinander schmusten und Mama die kleine Jette herzte und tröstete ….als Pönnes Mama plötzlich schwarz vor Augen wurde und sie mit samt der kleinen Jette vom Stuhl fiel!
Ihr könnt euch die Aufregung vorstellen,als das passierte!
Gott sei Dank kam Pönnes Mutter sehr schnell wieder zu sich und Jette war bei dem Fall auch nichts geschehen,aber nun wußte die Mutter,das sie selbst auch noch ganz schön schwach war und das sie auch auf sich gut aufpassen muß,denn nicht nur die Ohnmacht war ein Zeichen dafür,auch der Schmerz in ihrem Leib wurde stärker und ließ sich nun nicht mehr ignorieren.
Nun wurde es noch schwerer,denn Pönnes Papa drängte die Mutter,endlich Pönne zu besuchen,der nur eine Station weiter in seinem Brutkasten lag.
Sie konnte nicht....
Sie wollte nicht....
Sie hatte Angst,Jette zu verlassen....
Jette schrie und klammerte sich an ihre Mama,die sie 2 Wochen nicht gesehen hatte – sie verstand überhaupt nicht,das die Mama sie wieder allein lassen würde...
Aber der Vater schob die Mutter hinaus auf den Flur,während eine Schwester versuchte,die untröstliche Jette zu beruhigen....

3.Teil

In den Ohren das bitterliche Weinen von Jette – den Körper von Schmerz fast betäubt,schleppte Pönnes Mama sich am Arm des Vaters in die Kinderintensivstation,die man nicht einfach so betreten konnte.
Im Vorraum der Station wurden beide aufgefordert,sich sterile Kittel anzuziehen,Überschuhe und einen Mundschutz.Die Hände mußten gründlich desinfiziert werden,erst dann betraten sie einen freundlich wirkenden Raum,in dem mehrere Brutkästen mit kleinen,kranken Säuglingen waren.Es war sehr warm dort und unmittelbar nach dem Eintritt brach bei Pönnes Mutter der Schweiß aus .
Klickende,saugende und piepende Geräusche füllten den Raum.
Ganz hinten schien ein Baby zu wimmern,sehen konnte man es nicht.
Der Vater schob die Mutter direkt zu dem ersten gläsernen Brutkasten und sie sah zum ersten Mal ihren Sohn.
Pönne war winzig klein...sein Brustkorb hob und senkte sich im Rhythmus der Beatmungsmaschine.Immer wieder zitterte der kleine Körper,der vollkommen nackt dort lag.In seinem Köpfchen war eine Infusionsnadel und an seiner kleinen Hand ein Miniaturpulsmesser.
Die Haut seines kleinen Körpers war fast durchsichtig...Pönnes Mama konnte Adern und Venen erkennen,die blau durch seine Haut schimmerten.Immer wieder verzog Pönne das kleine Gesichtchen,als wolle er schreien,aber das ging nicht,wegen des Beatmungsschlauches.
Die Schwester forderte Pönnes Mutter auf,ihre Hand durch eine kleine Öffnung im Brutkasten zu stecken,um Pönne zu fühlen.
Sie tat es .
„Pönne“ flüsterte sie...“Pönne,du mußt kämpfen,ich will dein Lachen sehen...das willst du mir doch geben! Ich verspreche dir,solange du mir dein Lachen nicht zeigst,geh ich nicht fort“.

Sie hatte ihre Hand,die Pönne ganz umschloß,seitlich an seinen kleinen Körper gelegt und spürte jedes kleine zittern,jede kleine Regung.Pönnes kleine Hand hob sich- und als hätte er das schon viele viele Male gemacht,umklammerte er mit seinen rosa Fingerchen Mamas Zeigefinger.
Heiße Liebe durchfloss seine Mutter – ein Band,das niemand lösen konnte,wuchs im Bruchteil einer Sekunde und wurde ebenso schnell unzerstörbar.


4.Teil

An diesem Tag änderte sich das ganze Leben der Familie.
Pönnes Großmutter zog ein,denn da waren ja noch zwei Brüder,die versorgt werden wollten.Was für ein Glück,das Omi so verliebt war in die beiden!Für Matthias (4) und Martin (3) begann eine wunderbare Zeit,denn sie brauchten ihre Omi nur anzulächeln und schon bekamen sie,was sie wollten!
Der Vater ging wieder auf Montage und kam alle 3 Wochen heim.
Pönnes Mutter aber blieb im Krankenhaus bei Pönne und Jette.
Ohne die ,nicht selbstverständliche,Hilfe der Ärzte wäre viel nicht gegangen.So konnte Pönnes Mutter ihre eigene Genesung im Krankenhaus weiterführen.Selbst,als es Komplikationen gab,und die Mutter noch einmal operiert werden mußte,konnte sie gleich nach der OP wieder zurück in das Kinderkrankenhaus,die Ärzte kümmerten sich rührend um sie.
Als Jette schließlich gesund war und heim konnte,fiel der Abschied natürlich wieder schwer,aber Jettes Mutter wußte ihre Kinder bei ihrer Mutter in besten Händen,so das sie sich ohne Sorge um Pönne kümmern konnte.
Nun kam endlich der Tag,an dem Pönne vom Beatmungsgerät genommen wurde und das erste Mal in den Arm seiner Mutter gelegt wurde.Sie hatte oben herum nur einen Bademantel an,so das der kleine Körper direkt auf Mamas warmer Haut lag.
158 Tage lang verbrachten Mutter und Sohn nun ihre Zeit meistens in dieser Position.
158 Tage!
In dieser Zeit schrumpfte das Leben von Pönnes Mutter zu einem Micro Kosmos,in dem es Ärzte-Schwestern-andere Babys und natürlich Besucher gab.
Die Geschwister von Pönne gewöhnten sich daran,das sie mit ihrer Mama meistens telefonierten und sie einmal in der Woche mit der Omi besuchten.
Pönne wuchs.
Seine kleine Lunge hatte sich erholt und nun mußte er ein Mindestgewicht von 2800gr erreichen,bevor überhaupt darüber nachgedacht werden konnte,wann er heim durfte.



5.Teil

Es war mitten in der Nacht.Pönnes Mutter lag schlafend im Bett,gleich neben Pönne.
In die Tiefe des Schlafes drang ein schriller Ton,der immer lauter wurde und sie schließlich weckte.
Pönne hatte aufgehört,zu atmen.
Sein Gesicht war dunkelblau gefärbt und er sah aus,als wäre er fort.
Geschockt sah seine Mutter,wie ein Arzt versuchte,Pönne zu beatmen,während er mit seinen Händen Pönnes kleinen Brustkorb in schnellen Rythmen drückte.
„Pönne! Atme!“ rief er und warf der Mutter einen erschütterten Blick zu.
Gleich darauf wurde das Bettchen mit Pönne rausgefahren und seine Mama blieb fassungslos zurück.
Noch in der selben Nacht wurde Pönne notgetauft.Er bekam den Namen Manfred.
Eine Zeit der Angst begann.
Seine Lunge hatte sich entzündet und ein schweres Fieber schüttelte ihn bis zur Bewußtlosigkeit.
Pönne war grade 6 Monate auf dieser Erde und es schien,als würde er sie schon verlassen.
Wieder Intensiv Station.
Wieder viele Tränen.
Wieder flehende Gebete.
Schlaflose Nächte.
Gedanken,die keine Erlaubnis hatten,kamen trotzdem...
Was wäre wenn
Es war ein Märzmorgen...Pönnes Mutter lag im Dämmerschlaf.
Vogelgezwitscher drang an ihre Ohren und die Sonne schickte einen einzigen weichen Strahl durch das Fenster im Krankenhaus.
Sie richtete sich auf und sah nach Pönne.
Er lag in seinem Bettchen auf dem Rücken und lächelte


da es sehr förderlich für die Gesundheit ist, habe ich beschlossen, glücklich zu sein! (Voltaire)

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#2

RE: Pönne

in Geschichten 12.09.2013 17:35
von Renate J. | 15 Beiträge

So eine Geschichte schreibt wohl nur das Leben. Warst Du die Mama? Es ist ergreifend geschrieben. Wenn Pönne groß ist, dann wird er sicher glücklich sein, dass seine Mama dieses aufgeschrieben hat.

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#3

RE: Pönne

in Geschichten 12.09.2013 18:20
von Winfried | 32 Beiträge

Nur Du kannst die leibliche Mutter von Pönne sein ,so was ist das wahre Leben und kein Roman.

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#4

RE: Pönne

in Geschichten 12.09.2013 19:05
von Biene | 8 Beiträge

Ja-ihr Lieben,Pönne ist mein Junge :) danke für eure lieben Worte - Biene


da es sehr förderlich für die Gesundheit ist, habe ich beschlossen, glücklich zu sein! (Voltaire)

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#5

RE: Pönne

in Geschichten 12.09.2013 19:40
von heyo | 24 Beiträge

Sehr gut beschrieben/geschrieben. Habe es mit Spannung gelesen, denn aus meinem Berufsleben musste ich auch solch Situationen miterleben.

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#6

RE: Pönne

in Geschichten 14.09.2013 09:07
von Ingrid | 8 Beiträge

Oh liebe Sabine, deine Geschichte hat mich total erschüttert. Es durfte gar nicht anders ausgehen - eben glücklich, dass auch der
Jüngste endlich in eurer tollen Familie sein durfte.
Ich wünsche euch allen alles Glück dieser Welt


Lebensklugheit bedeutet, alle Dinge möglichst wichtig, aber keines völlig ernst zu nehmen

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#7

RE: Pönne

in Geschichten 14.09.2013 19:15
von Roel | 4 Beiträge

Mensch, mensch.............................was für eine Geschichte.
Sabine, Ich habe keine Worte dafür.
Vom ganzen Herzen, DU BIST EIN MENSCH für mich.

BITTE, verlass uns nicht fúr immer, komm mal zurück unde meldet uns wie weiter mit Manfred geht.

zuletzt bearbeitet 14.09.2013 19:21 | nach oben springen

#8

RE: Pönne

in Geschichten 14.09.2013 20:01
von Biene | 8 Beiträge

versprochen Roel :) dankeschön


da es sehr förderlich für die Gesundheit ist, habe ich beschlossen, glücklich zu sein! (Voltaire)

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#9

RE: Pönne

in Geschichten 14.09.2013 23:31
von Adelheid | 3 Beiträge

Mein erster Gedanke war auch, das es dein Kind ist Biene. Berührend und zugleich spannend hast du geschrieben. So eine große Liebe kann man nur zu seinem Kind haben, glaube ich.

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#10

RE: Pönne

in Geschichten 15.09.2013 09:01
von Martina S-van G | 7 Beiträge

Liebe Biene, Deine Beitrage ist wirklich Wunderschön und gleichzeitig Erschütterend. Dass muss die Funke gewesen sein zwischen Mutter und Kind!!! Der Kleine Pönne hatte auf ein Moment seine Mutter zurück gefunden, möchte Leben und hatte sosehr dafür gekämpft. Ich bin beeindrückt. Liebe Gruessen, Martina.

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#11

RE: Pönne

in Geschichten 15.09.2013 18:20
von Dodo Brauer | 11 Beiträge

Liebe Biene ,Deine Geschichte hat mich sehr berührt ,wundervoll geschrieben .Ich drück Dich
Dodo

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#12

RE: Pönne

in Geschichten 18.09.2013 10:08
von Renate B. | 267 Beiträge

so kann nur die mutter schreiben.
eine wunderschöne geschichte

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#13

RE: Pönne

in Geschichten 09.12.2015 09:51
von Hauser | 3 Beiträge

Wow was für ein langer Post. Hab einige Zeit gebraucht, um es durchzulesen.

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